
Out, offen … und erfolgreich?So wirkt sich ein Coming-out auf die Karriere von Führungskräften aus
Juni ist Pride Month. Dann rückt das Thema sexuelle Orientierung mehr als sonst ins allgemeine Interesse und in den öffentlichen Raum. Regenbogenfahnen allerorten, Veranstaltungen, Beiträge in den Medien – Solidarität auf breiter Front, so scheint es. Mehr denn je ist das Thema Diversity in vielen Unternehmen gesetzt. Doch wie sieht es in der Praxis aus?
Ein Coming-out im beruflichen Kontext ist in Deutschland noch immer nicht selbstverständlich. So legen nur 37 Prozent der deutschen LGBTIQ-Talente gegenüber Arbeitskolleg*innen ihre sexuelle Orientierung offen. Das belegt u.a. die internationale Studie „Out@Work“ der Boston Consulting Group, für die die Strategieberatung weltweit mehr als 4.000 junge Berufstätige unter 35 Jahren befragte. Deutschland schneidet damit im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich ab. Angst um die Karriere ist ein gewichtiger Hinderungsgrund.
Ist diese Angst berechtigt? Eine qualitative Studie an der FOM München nahm diese Frage unter die Lupe und untersuchte die Wirkung von Coming-out bzw. offenem Umgang mit der eigenen Homosexualität auf die Karriere von Führungskräften. Befragt wurden 13 lesbische bzw. schwule und beruflich geouteten Führungskräfte (8 weiblich, 5 männlich) mit Personal- oder Projektverantwortung aus Unternehmen verschiedener Größe und Branchen in Deutschland und Österreich. Zum Zeitpunkt der Interviews waren die Befragten zwischen Alter zwischen 36 und 58 Jahren alt. Sie berichteten über ihre Karriere aus zwei Perspektiven: mit Blick auf die Abfolge berufsbezogener Rollen und Positionen im Zeitverlauf (äußere Karriere) und hinsichtlich ihrer Erfahrungen und persönlichen Entwicklung (innere Karriere).
Vor diesem Hintergrund sind die Ergebnisse der Studie ermutigend:
- Coming-out und offener Umgang mit der eigenen Homosexualität im Job wirken sich für die Befragten überwiegend karriereförderlich aus. Sie engagieren sich für die Belange der LSBTIQ+-Community und nutzen persönliche Kontakte und erhöhte Sichtbarkeit in der Organisation auch für karriererelevante Interessen. Dies kann zu weitreichenden beruflichen Veränderungen führen.
- Daneben verstärkt bzw. fördert das Offenlegen einer potenziell stigmatisierenden sexuellen Orientierung bestimmte Eigenschaften und Kompetenzen, die den Befragten in Selbst- und Mitarbeiterführung zugute kommen und ihr berufliches Handlungsspektrum erweitern. Davon profitieren sie im Hinblick auf ihre äußere (formale) und innere Karriere im Sinne persönlicher Entwicklung.
Was steht dahinter?
Die Führungskräfte, die an dieser Studie teilgenommen haben, sind selbst-bewusst im wahrsten Sinne des Wortes. Sie entscheiden sich für ihren eigenen Weg und überwinden dabei Hürden. Erfahren Diskriminierung und lassen sich dadurch nicht einschüchtern. Sie sind in Verbindung – mit sich, ihrer Aufgabe und den Menschen, die sie führen. Mit großer Selbstverständlichkeit bringen sie sich als ganze Person in ihre Tätigkeit ein.
Die Blickrichtung macht hierbei den Unterschied: Im Fokus stehen die Ressourcen, nicht die Defizite, die Chancen und nicht die Hindernisse. Die Befragten besetzen ihre sexuelle Orientierung und damit verbundene Erfahrungen positiv. Sie wissen, dass sie als Führungskräfte „etwas zu bieten“ haben und dass dieses „etwas“ auch mit ihrer Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Randgruppe zu tun hat. Damit sind sie Vorbilder – weit über die LSBTIQ+-Community hinaus.
Die komplette Studie ist auf Anfrage erhältlich. Das Poster fasst die Ergebnisse zusammen.